Wir Surfjournalisten leben für das Surfen, doch von manchen Wellen lassen wir lieber die Finger. Denn diese Spots haben so viel Angstpotenzial, dass sie das Blut in den Adern gefrieren lassen – zumindest unseres. Heute stellen wir Euch 5 Albtraum Wellen vor.
TEAHUPO’O – 5 Albtraum Wellen

Wo liegt Teahupo’o?
Am Ende der Straße auf Tahiti in der Südsee.
Was ist Teahupo’o?
Vielleicht die heftigste Welle der Welt. Denn kein anderer Spot erfordert mehr Überwindung beim Takeoff. Erscheint eine sich hier aufbauende Wasserwand doch eher wie ein Wasserfall, auf dem es senkrecht in die Tiefe zu rasen gilt. Dazu kommt das verdammt scharfe Korallenriff, das Gerüchten zufolge wohl teils wirklich nur 50 Zentimeter unter der Wasseroberfläche auf deinen ersten Fehler lauert. Wenn du aber den Drop schaffst und den Bottom Turn, dann musst du nur ruhig auf deinem Board stehen und staunen. Denn sobald du die richtige Line hast, macht die Welle die ganze Arbeit und lässt dich mühelos durch den Wassertunnel gleiten.
Wie ist der Wipeout in Teahupo’o?
Normalerweise startet alles mit einem harten Bauchplatscher, weil du dem steilen Drop nicht gewachsen warst. Dann geht es steil nach oben, während dich die Welle hochsaugt und nach einem kurzen Moment der Schwerelosigkeit mit der Lippe wieder rasant in die Tiefe. Es folgt der fast unvermeidliche Aufschlag auf den Korallen, und nicht selten wirst du dabei deines Shortys oder deiner Shorts entledigt. Unter Wasser schleppt dich das Weißwasser dann noch etwas über das Riff, bis du endlich wieder an die Luft darfst. Nach einem kurzen Atemzug rollt dann die nächste Walze heran und schleift dich weiter über die Korallen und danach noch eine Welle, bis du irgendwann in der Lagune hinter dem Riff treibst.
Die Geldfrage
Wie viel müsste man mir bezahlen, damit ich Teahupo’o surfe? Es gibt wohl kleine Tage in Teahupo’o, an denen der Spot wie ein kopfhoher Point bricht. An so einem Tag würde ich sogar zahlen, um dort zu surfen. Aber an einem richtigen Teahupo’o-Tag bei großem Swell mit detonierenden Wellenlippen und vertikalen Drops? Nie und nimmer, auch nicht für 1 Million. Ich würde beim Blick in die Tiefe erstarren, voll over the falls gehen und wäre nach dem Erlebnis so traumatisiert, dass ich nie wieder surfen würde. Geld ist eben nicht alles!
SHIPSTERN BLUFF – 5 Albtraum Wellen

Wo liegt Shipstern Bluff?
Am Ende der Welt oder genauer: an der Südostküste von Tasmanien. Wer hin will, muss zwei Stunden durch die Wildnis hiken oder 30 Kilometer per Jetski zurücklegen.
Was ist Shipstern Bluff?
Eine seichte Felsplatte, auf die die Wellen so schnell und abrupt aus der Tiefe treffen, dass sich tatsächlich die Kontur des Riffs auf dem Face der Welle abbildet. Der Untergrund ist leider alles andere als eben, sondern voller Risse und Kanten. Als Folge muss jeder, der ‘Shippies’ surfen will, mit einer Welle klarkommen, deren Face so viele Stufen hat, dass es eher einem Treppenhaus aus Wasser gleicht. Einem recht hohen Treppenhaus übrigens, brechen echte Brecher in Shipstern Bluff doch mit einer Höhe von 10 Metern und mehr und formen eine gigantische Barrel, in die ein ganzer Reisebus passen würden (keine Übertreibung).
Wie ist der Wipeout in Shipstern Bluff?
Meist sind es die Stufen im Face, die sich plötzlich auftun und die Aussicht auf einen tollen Ritt in eine höllische Abreibung verwandeln. Denn dann wirst du von einer Weißwasserwalze verschluckt, die einer kleinen Lawine gleicht, und lange unter Wasser gedrückt, verdammt lange. Danach kommst du nach Luft schnappend nur wenige Meter vor den Felsbrocken am Ufer nach oben und wirst schon von der nächsten Walze verschluckt. Ein Wunder, dass in Shippies noch niemand ertrunken ist. Dafür gab es aber schon alles andere: von gebrochenen Knochen über punktierte Lungen bis zu Schädelfrakturen.
Die Geldfrage
Wie viel müsste man mir bezahlen, damit ich Shippies surfe? Siehe Teahupo’o!
THE BOX – 5 Albtraum Wellen

Wo liegt the The Box?
An der Westküste Australiens in Margaret River und direkt gegenüber von Surfers Point, dem Hauptspot in Margaret.
Was ist The Box?
Eine fiese, intensive Slab mit Drops, die steiler als steil ausfallen und direkt in eine Tube oder aufs Riff führen. Seinen Namen trägt der Spot übrigens aus gutem Grund. Wenn nämlich eine Welle bricht, wird so viel Wasser von dem Riff gesaugt, dass das Face hollower als hollow wird. Kurz: Es ist nicht mehr rund, sondern eckig. Wer es schafft, unter die mächtige Lippe zu kommen, die direkt nach dem steilen Takeoff weit nach vorne geworfen wird, bekommt eine Stand-Up-Tube. Wer es nicht schafft, landet im Land der Schmerzen.
Wie ist der Wipeout in The Box?
Du bist zu spät dran, gehst voll over the falls und knallst fast ungebremst auf das Felsenriff. Dann wirst du über den Grund gezogen, dein Wetsuit dabei aufgeschlitzt und wahrscheinlich verlierst du auch etwas Haut. Ein Schicksal, das auch die Besten in The Box ereilen kann. Erst im Mai, als die WSL-Tour in Margaret River war, kugelte The Box Leonardo Fioravanti eine Schulter aus und zerschredderte das Gesäß von Jadson Andre.
Die Geldfrage
Wie viel müsste man mir bezahlen, damit ich The Box surfe? Eine Menge! Sicher so 100.000 Euro. Dann könnte ich mir eine lange Auszeit gönnen, perfekte Wellen suchen und von meinem Wipeout erholen. Ich würde halt einen Helm aufsetzen und auf Gott vertrauen.
PIPELINE – 5 Albtraum Wellen

Wo liegt Pipeline?
Im Mekka des Surfens an der North Shore von Oahu/ Hawaii.
Was ist Pipeline?
Die bekannteste Welle der Welt, die dein Ego brechen oder dich zum Helden machen kann. Kein Surfstar der Welt hat sich nicht schon mit Pipe gemessen, und manche wie Gerry Lopez, Kelly Slater oder John John Florence sind durch Pipe erst zu großen Stars geworden. Aber das heißt nicht, dass der Spot leicht zu surfen ist. Denn Pipeline ist eine große Welle, die ihre Lippe wie eine erbarmungslose Guillotine herabstürzen lässt und in richtig seichtes Wasser bricht.
Dafür ist das Lavariff nicht sonderlich scharf. Es ist von den abertausenden Wellen, die darauf detoniert sind, eher vollkommen glatt – so wie eine Betondecke. Aber es ist auch genau so hart. Außerdem gibt es tiefe Risse, die dich komplett verschlucken können. Tatsächlich ist Pipeline auch der tödlichste Surfspot der Welt. Nirgendwo sonst sind mehr Surfer tödlich verunglückt, und unzählige kamen nur knapp mit ihrem Leben davon.
Wie ist der Wipeout in Pipeline?
In Pipe gibt es drei Riffe. Bis 12 Fuß bricht First Reef, danach fängt Second Reef an, und wenn es echt dick wird, bricht weit draußen Third Reef. Die größte Gefahr besteht, wenn du am First Reef gewaschen wirst und gegen irgendeinen Stempel oder die Kante des Riffs geschleudert wirst. Diese Impacts verursachen die meisten Verletzungen in Pipe. So erging
es auch Leon Glatzer aus dem deutschen Nationalteam: „Als ich auf einer riesigen Closeout-Welle over the falls ging, schlug ich mit meinem Hinterkopf auf dem Riff ein! Ein paar Sekunden lang kribbelte es wie verrückt in meinem ganzen Körper, und ich war sogar kurz bewusstlos. Als ich wieder wach wurde, war ich glücklicherweise schon wieder über Wasser, schnappte mir mein Board und rannte zum Volcom-Haus. Ich hatte keine schlimme Verletzung, nur eine kleine Platzwunde am Hinterkopf, stand aber total unter Schock.“
Die Geldfrage
Wie viel müsste man mir bezahlen, damit ich Pipeline surfe? Also billig wird das nicht! Ein Preisgeld wie für The Box müsste für diesen Selbsttest schon rausspringen. Aber wahrscheinlich hätte ich gar keine Chance auf eine Welle, weil einfach keine für mich abfallen würde. Ein Beispiel: Als der Volcom Pipe Pro 2014 bei perfekten Wellen zu Ende ging, warteten schon 150 bis 200 Surfer im Lineup, um nach dem Finale sofort den Lineup zu übernehmen.
GRAVIÈRE -5 Albtraum Wellen

Wo liegt Graviere?
In Sichtweite von Dicks Sandbar in Hossegor an der französischen Atlantikküste.
Was ist Graviere?
Die French Pipeline wird der Spot genannt und das ist teils richtig und teils falsch. Richtig, weil es hier bei gutem Swell eine Barrelgarantie gibt. Falsch, weil es unter den Tubes nur Sand und kein Riff gibt. An einem guten Tag erheben sich mächtige Peaks aus dem Wasser, rollen träge auf den Strand zu, bis sie knapp vor dem Ufer nach oben schnellen und sich als gewaltige Tube entladen, während die Zuschauer dichtgedrängt nur 10 Meter entfernt im trockenen Sand stehen. Kurz: Gravière sorgt für eine Show wie in einer Gladiatorenarena.
Wie ist der Wipeout in Graviere?
Normalerweise sind die Wellen so hohl, dass fast jeder Takeoff zu einem heiklen Sprung über eine Klippe aus Wasser mutiert. Dazu kommt eine gewaltige Kraft, die man sonst kaum an einem Spot in Frankreich findet. Wer einen Fehler macht, wird entweder in den Sand gerammt oder im Schleudergang durchgewaschen oder beides. Noch eine Anekdote: Jeremy Flores, der Superpro aus Frankreich, erlebte in Gravière bisher seinen einzigen Two-Wave-Hold-Down und das obwohl er schon in Pipeline, Teahupo’o und auf Fidschi riesige Swells surfte.
Die Geldfrage
Wie viel müsste man mir bezahlen, damit ich Gravière surfe? An einem kleinen Tag gar nichts, da mache ich es umsonst. Aber an einem fetten Tag mit Wellen, die doppeltüberkopfhoch sind? 1.000 Euro, oder sagen wir 5.000. Denn in Gravière werde ich nicht sterben, das ist sicher. Sicher ist aber auch, dass ich eine richtige Abreibung bekommen werde. So eine, die man noch tagelang spürt. Vielleicht sogar schon beim Rauspaddeln. Denn es gibt keinen Channel, und wer nicht das richtige Timing hat, dem bleibt nichts anderes übrig, als sein Board wegzuschmeissen und sich verdreschen zu lassen. Aber was tut man nicht alles für Geld?