Lennart Girard hat schon in Australien und Indonesien gelebt, aber im Moment nennt der 26-Jährige Kiel seine Heimat. Klar, dass er sich bei jeder guten Swellvorhersage ins Auto setzt und die Spots von Timmendorf bis Dänemark unsicher macht. Uns hat er in die Geheimnisse des Ostsee-Surfens eingeweiht:
1. Wie würdest du das Surfen an der Ostsee beschreiben?
Es sieht meistens richtig scheiße aus, ist oft kalt und ungemütlich. Trotzdem ist es aber immer noch um einiges besser, als vor dem PC zu sitzen oder joggen zu gehen. Wenn Surfen im ‚echten‘ Meer mein Heroin ist, dann ist das Surfen in der Ostsee auf jeden Fall mein Methadon. Nicht ganz so gut, aber für einen kurzen Fix reicht es.
2. Wie viele Kilometer bist du im Schnitt pro Jahr im Auto unterwegs, um in Ost- oder Nordsee auf deine Kosten zu kommen?
Das kommt ganz auf das Jahr an, sprich, wie viel Stürme es gibt. Natürlich darf man eigene Verpflichtungen wie Uni oder Nebenjob auch nicht vergessen, aber wenn man möchte, kommt man eigentlich zweimal die Woche ins Wasser. Dieses Jahr war ich aufgrund einer Verletzung nicht so oft surfen, aber in guten Jahren komme ich locker auf 10.000 Kilometer.
3. Welches Board empfiehlst du für die Ostsee?
Das Longboard ist mittlerweile nicht nur in der Ostsee mein bevorzugtes Brett, sondern fast überall in kleineren Wellen, die nicht gerade als kraftvoller Shorebreak oder über einem perfekten Riff brechen. Man erwischt damit mehr Wellen, kann aus ihnen viel mehr herausholen und pumpt sich nicht den Arsch ab, um am Ende doch keinen vernünftigen Turn in die Welle zu bekommen. Shortboarden in der Ostsee sieht fast immer kacke aus, es sei denn man heißt Jonas Bronnert, dann darf man das…
4. Wie voll kann es im Wasser werden?
Da ich nur die Spots in der Kieler und Lübecker Bucht kenne, kann ich nur für diesen Teil sprechen, aber es ist mindestens doppelt so voll wie noch vor fünf Jahren, besonders an den guten Tagen außerhalb des tiefsten Winters. Genaue Zahlen habe ich nicht, aber ein paar tausend werden es schon sein, die mehr oder weniger regelmäßig an der Ostsee surfen. Damp, Weißenhaus und Timmendorf sind die drei bekanntesten Spots, und wenn sie laufen, ist es nie leer. Am Vatertag vor zwei Jahren habe ich in Timmendorf über hundert Leute im Wasser gezählt!
5. Gibt es an der deutschen Ostseeküste überhaupt noch Secret Spots zu entdecken?
Na klar! Fragt mal die Holmströmer oder die Binsurfen-Jungs, die haben schon einige Spots entdeckt. Die Frage ist nur, wie sehr es sich lohnt, diesen Aufwand zu betreiben – denn Onshore-Geschwabbel ist und bleibt Onshore-Geschwabbel.
6. Lohnt sich ein Abstecher in unsere Ostseenachbarländer?
Auf jeden Fall, denn dort gibt es definitiv bessere Wellen! Polen und die baltischen Nachbarstaaten überraschen regelmäßig mit Offshore-Bedingungen. Schweden hat auch einiges zu bieten. Aber am konstantesten ist wohl die dänische Insel Bornholm vor Schweden, die bekommt nämlich aus allen Richtungen Swell ab. Im Internet findet man Wahnsinnsfotos von der Bornholm Surf Farm!
7. Angenommen jemand aus dem Süden unseres Landes will an der Ostsee Urlaub machen und die eine oder andere Welle dabei abgreifen – welche Tipps hast du für ihn?
Nicht im Hochsommer kommen, dicken Neopren einpacken, Bretter mit viel Volumen mitbringen (so ein Eisbach-Schlitten ist komplett fehl am Platz), die Karten des dänischen Wetterdienstes DMI lesen, in den Surfshops lieb nach einer Spotauskunft fragen und natürlich: Strand sauber halten und alle im Wasser respektieren.
