Letzten Freitag traf einer der größten und zugleich saubersten Swell der vergangenen zehn Jahre auf Maui. In Jaws brachen Wellen, wie sie viele Big-Wave-Surfer noch nie im Leben zuvor gesehen haben, und womöglich paddelte Aaron Gold in einen Brecher von rekordverdächtiger Höhe. Doch entspricht das alles wirklich den Tatsachen oder ist die ganze Geschichte nur hoffnungslos overhyped? Wir haben recherchiert.
Wie groß war die Welle?
Genaue Messungen gibt es noch nicht, aber ein paar recht konkrete Einschätzungen. Der hawaiianische Pro-Surfer Albee Layer paddelte genau in dem Moment über die Schulter der Welle, als Aaron in das Face droppte. “Der verrückteste Anblick, den ich je beim Surfen hatte”, berichtete Albee danach. “Sicher 70 Fuß hoch und die Lippe weit auswerfend, wie bei einer perfekten Barrel.” Ein anderer Surfer schätzt Aarons Welle sogar noch höher ein: Surflegende Tom Carroll, der ja eigentlich weiß, wovon er redet, sprach von etwa 80 Fuß. Tom war an dem Tag nicht im Wasser, hat sich aber die Videoaufnahmen genau angesehen. “Es ist schwer, die Höhe genau anzugeben. Aber ich würde sagen, dass Aarons 10-Fuß-Board sicher achtmal übereinander in das Face der Welle passt und das macht zusammen circa 80 Fuß”, begründete er seine Schätzung.

Gab es nur eine so große Welle?
Nein, aber nur ganz wenige Sets erreichten die Höhe von Aarons Brecher. Tatsächlich wurde noch eine zweite Welle geritten, die genauso groß sein könnte. Und zwar von Pedro Calado, einem 19-jährigen Brasilianer, der in den letzten Jahren schon öfter für den Wipeout des Jahres nominiert wurde.
Pedro Calados Ritt zum Vergleich. Aber welche Welle war größer?
Wo lag der Rekord zuvor?
Im Guinness Buch der Rekorde steht der Amerikaner Shawn Dollar mit einer Welle, in die er am 21. Dezember 2012 in Cortes Bank paddelte. Die Höhe des Faces wird mit 61 Fuß angegeben. Davor hielt Shane Dorian den Rekord mit einem Ritt auf einem 57-Fuß-Brecher 2011 in Jaws.
Shawn Dollars Rekordwelle von 2012.
War der Swell wirklich so besonders?
Ja, es ist schon sehr lange her, dass die Vorhersage für Hawaii von 17 Fuß (Open Ocean Swell!) mit einer Periode von 17 Sekunden sprach. Dazu kam noch, dass der Peak des Swells, also die größten Wellen, am Nachmittag eintreffen sollten. Normalerweise passiert das nämlich (aus welchen Gründen auch immer) mitten in der Nacht, und die größten Wellen können daher nicht geritten werden. Viele sprechen nun auch vom Swell des Jahrzehnts, der letzten Freitag eintraf.
Wer ist Aaron Gold?
Aaron stammt aus Hawaii und lebt heute als Shaper an der North Shore von Oahu. Dort ist er schon lange als Underground-Charger an den Outerreefs bekannt. Es wäre nicht untypisch für ihn, wenn er mitten in der Nacht eine 10-Fuß-Gun glassed, dann den ersten Flug auf die Nachbarinsel Maui nimmt und das neue Board in Jaws ausprobiert. Große Wellen liegen ihm eben im Blut, was vielleicht an seiner Familie liegt. Denn auch sein Vater und einige seiner Onkel standen auf Big Waves und nahmen Aaron schon als Kind mit zum Surfen. Nervös wird Aaron aber trotzdem noch, wenn eine große Session ansteht. Am Abend vor dem Rekordswell ging er zum Beispiel schon um 21.30 Uhr ins Bett, um am nächsten Tag ausgeruht zu sein. Schlafen konnte er aber vor Aufregung nicht, und so stand er um Mitternacht wieder auf und wartete auf den Morgen. Sonntags geht der Mitte 30-Jährige, der verheiratet ist und zwei Töchter hat, übrigens in die Kirche. Und er geht davon aus, dass in Sachen Big Waves noch lange keine Grenze in Sicht ist. “Es wird ein Tag kommen, an dem die kleinen gesurften Wellen in etwa die Größe der Wellen vom letzten Freitag haben werden”, meinte Aaron nach der Session.

War das die größte Welle, die jemals gesurft wurde?
Nein, aber die größte, in die je ein Mensch aus eigener Kraft gepaddelt ist. Tow-In-Surfer haben schon größere Wellen abgeritten. Garrett McNamara hat so im Januar 2013 wohl sogar eine 100-Fuß-Welle in Nazaré erwischt und der Franzose Benjamin Sanchis (der am Freitag auch in Jaws surfte) 2014 ebenfalls in Nazaré eine Welle ähnlicher Größe.
Wie fühlte sich der Tag im Lineup an?
Aaron hatte Glück, die Monsterwelle war die erste, die er an diesem Tag surfte und der folgende Wipeout auch nicht besonders schlimm. “Ich wurde nur etwa 100 Meter weit reingespült”, fasste er den Waschgang zusammen. Wie schwer es aber überhaupt war, eine Welle zu erwischen, lässt der Bericht von Benjamin Sanchis erahnen. Der französische Big-Wave-Jäger war acht Stunden im Lineup von Jaws und ritt in dieser Zeit drei Wellen. Alleine auf ersten Takeoff musste er vier Stunden warten. Und auch manche Wipeouts waren unangenehmer als Aarons. Der Hawaiianer Kai Lenny erzählte etwa, dass er so tief hinabgedrückt wurde, bis er tatsächlich auf dem Riff stand und dabei immer noch spürte, wie ihn der Druck weiter nach unten zu pressen versuchte. Quasi so, als hätte er das Gewicht des ganzen Ozeans auf den Schulter.
Ist das ein Rekord für die Ewigkeit?
Nein, eher nicht. Tatsächlich könnte schon nächste Woche ein noch größerer Swell auf Hawaii treffen. Alle sagen, dass El Niño der Grund für einen riesigen Swell nach dem anderen ist. Wahrscheinlich haben sie recht.
Die ganze Session in fünf Minuten.